Luzi and the machines

November 15, 2011

Photos: Corinne Kramer (www.corinnekramer.chWords: Claudia Schmid






Hinter den Gleisen in Zürich Altstetten, wo es regelmässig quietscht wenn Rangierzüge vorbeifahren, dort arbeitet er, im Hochhaus der „Genossenschaft Gleis 70“. 
Gut 100 Leute arbeiten in dieser riesigen Ateliergemeinschaft, ebenso viele Namen sind im Eingangsbereich angeschrieben. Der mit dem schönsten Namen gehört ihm: Luzi de Beaufort. 

De Beaufort – hellblaue Augen, hellblaues Shirt, Converse-Turnschuhe – ist Schnitttechniker, ein Beruf, der viel Können und Genauigkeit verlangt. Gerade liegt bei ihm ein Parka auf dem Tisch, von welchem er die Einzelteile auf dem Computer visualisiert. Um die sechzig Stück sind es. Die Ansammlung dieser Umrisse auf dem Bildschirm, weiss auf schwarzem Grund, sieht aus wie ein Kunstwerk. Ein Bild aus Linien und Stückchen/geometrischen Formen. 

Luzi de Beaufort ist ein Tüftler; das merkt man bei einem Besuch in seinem Atelier, wo er mal mit der Maus vor dem Bildschirm an den Schnitten arbeitet, mal an einer seiner zahlreichen Nähmaschinen einen Prototypen zusammennäht. Dass der Beruf des Schnitttechnikers sich eher “hinter den Kulissen” des Modezirkus abspielt, ist dem gebürtigen Luzerner ganz recht. Einen Grossteil seiner Zeit verbringt Luzi mit dem Reparieren alter Nähmaschinen, die die Hälfte seines 55 m2 grossen Atelierraums ausfüllen.

Jede Maschine ist auf etwas anderes spezialisiert: eine auf Knopflöcher, eine auf Gürtelschlaufen; da gibt es eine, die nur Pelz näht, eine weitere nur Jersey-Säume. Diejenige dort, die ganz am Ende des Raumes steht, ist nur dazu da, um Halslöcher einzufassen. Ein Grossteil dieser alten Industriemaschinen trägt das Logo der deutschen Firma Dürrkopp, aber Modelle vieler anderer sind in Luzis “Maschinen-Park” vertreten



Während ein neuwertiges Modell zwischen 5000 und 10000 Franken kostet, ersteht der 38-Jährige gebrauchte Maschinen auf Ebay, für ein paar hundert Franken, und macht sie wieder fit. Es sind mittlerweile rund zwei Dutzend funktionstüchtige Industrie-Nähmaschinen, die in seinem Atelierraum stehen. Hinzu kommen weitere Geräte, die Luzi im Keller des Atelierhauses hortet und gelegentlich auch braucht.  Eine faszinierende Sammlung, die sowohl aus dem Bedürfnis nach notwendigen Maschinen für seine Arbeit aber auch aus Luzis Interesse für mechanische Apparate entstanden ist.

Neben den Nähmaschinen kann sich Luzi auch für “Grafis” begeistern, einer CAD-Software für Bekleidungskonstruktion, die das Erstellen und Bearbeiten von Schnitten sowie deren Gradierung ermöglicht. Wenn er Zeit hat, programmiert er damit eigene Applikationen, um die Arbeit zu vereinfachen. 

Abgesehen von seiner Schnitt-Tätigkeit für diverse Auftraggeber betreibt Luzi de Beaufort seit 2006 ein eigenes Kleiderlabel, zusammen mit Geschäftspartnerin Pia Affolter, die er aus der Studienzeit an der Zürcher Modefachklasse her kennt. Für die Marke “Affolter/De Beaufort” stellen die beiden keine herkömmlichen Kollektionen her: pro Saison gibt es nur einzelne ausgetüftelte Modelle von Wintermänteln bis hin zu Accessoires wie Mützen, Muffs oder Handschuhen. Und immer wieder produzieren sie auch Männehosen. Etwa kurze Kniebund- oder Chinohosen. Es sind robust wirkende Kleider, die sich nicht selten an Berufs- und Armeebekleidung orientieren. Müsste man sie irgendeinem Genre zuordnen, wäre es wohl am ehesten: Streetwear. 

Er hat schon als Jugendlicher genäht, wurde durch Mutters Patchwork-Arbeiten inspiriert, aber nicht nur. Als Teenager gehörte seine Leidenschaft dem Velo-Flicken und er arbeitete später auch als Velomechaniker. Nach der Matur und einem abgebrochenen Informatik-Studium an der ETH Lausanne landete de Beaufort am Vorkurs der damaligen Zürcher Hochschule für Gestaltung (HGKZ). Während seinem Studium im Studienbereich Mode gewann er dann in Deutschland einen Schnittwettbewerb. Hauptgewinn war eine zweiwöchige Ausbildung in CAD, einem in der Bekleidungsindustrie verbreiteten Schnittzeichnungs-Computersystem. Seit diesen ersten Erfahrungen mit dem Programm stand für de Beaufort fest: „ich brauche CAD um weiterhin Schnitte entwickeln zu können“, und er wechselte von der HGKZ zur STF (Schweizerische Textilfachschule), wo er sich zum Schnitttechniker ausbilden liess. 


Als Luzi dort zum ersten Mal den reich ausgestatteten Näh-Saal der Schule sah, war er begeistert. Ihn faszinierte die Möglichkeit, an den Industrienähmaschinen auf industriellem Niveau arbeiten zu können. Die saubere Verarbeitung von Kleidern war ihm schon immer wichtig. Das Auge von heute verlange einfach eine gewisse Machart:  „Es muss nur eine Naht mit der falschen Maschine verarbeitet werden, schon wirkt das Kleidungsstück gebastelt.“ 

Luzi de Beaufort ist mehr als ein kauziger Tüftler und Maschinen-Freak, eher ist er ein vielseitiger “Self-made Man”, der für sein Label auch selber die Webseite in Schuss hält, Newsletter verschickt und die Kleider fotografiert. Die urbane Location beim Atelier mit den Gleisen und Lagerhallen gibt ein hübsches Motiv ab; die Models stammen aus dem Freundeskreis. Arbeit und Leben vereinen sich bei Luzi sowieso. Er trennt die beiden Sachen, wie viele Kreative, nicht klar. Auch hinsichtlich seiner Arbeitszeiten ist er ziemlich flexibel. Nicht selten kommt es vor, dass er bis zwei Uhr morgens im Atelier arbeitet. Und gelegentlich lässt er den Abend im Meyers ausklingen, der Bar beim Lochergut im Zürcher Kreis vier. Bei einer Stange Bier oder einem Glas Rotwein sieht man ihn dann die Zeitung des vergangenen Tages lesen.

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